Konzerthaus: Liebesschäume, Liebesträume
Diana Krall feierte an zwei Abenden die Macht der Liebe – in Jazzklassikern, aber auch Songs von Bob Dylan und Tom Waits.
Diana Krall (Archivbild). – (c) imago/MediaPunch (imageSPACE)
Von Samir H. Köck
01.07.2019 um 18:04
Jazz ist Mannschaftssport. So betrachtet ist die Aufstellung von zentraler Bedeutung. Auf ihrer aktuellen Welttournee bietet die kanadische Flüsterfee Diana Krall neben ihrer bewährten Rhythmussektion die Herren Joe Lovano (Saxofon) und Marc Ribot (Krawallgitarre) auf. Was alle jene interessieren sollte, die Krall leichtfertig eine gewisse Seichtigkeit im Ausdruck vorwerfen.
Jene, die Streit lieben, hatten sich schon lustvoll vorgestellt, dass live zwei Fraktionen gegeneinander kämpfen würden. Das Gegenteil war der Fall. Schon eingangs beim 1926 veröffentlichten Standard „Deed I Do?“, umrankten einander Kralls Pianorhythmik und Marc Ribots kunstvoll verschleppte Harmonien. Schnell war klar: Hier ging es um Innigkeit. Krall demonstrierte ihre Fähigkeit, auch mit übereinandergeschlagenen Beinen glaubhaft von radikalen Schicksalswendungen ihrer Helden zu erzählen. Den Flügel nahm sie mit aufreizender Lässigkeit in Betrieb, als ob sie ein Haushaltsgerät einschalten würde. Sämtliche Mitspieler stellten schon in dieser ersten Nummer ihre Signatur in kleinen, prägnanten Soli zur Schau.
Dann ging es ab in die Landstriche des Fatalismus. „All Or Nothing At All“, schon 1939 von Frank Sinatra interpretiert, pries die Extreme: Alles möge geschehen, nur keine halben Sachen. In der Liebe schon gar nicht. „If it's love, there ain't no between“, hauchte Krall. Lovanos Saxofon bestätigte sie mit sanften Echos.
Wie bei allen Krall-Konzerten frappierte die Diskrepanz zwischen der Raffinesse der Lieder und der Lässigkeit der Ansagen. Sie denke jeden Tag an Nat King Cole, raunte Krall zum Amüsement des Publikums, bevor sie den wohlgelaunten Klassiker „L.O.V.E.“, anging. Im impressionistisch gespielten „I've Got You Under My Skin“ drohte Krall im Gestus der Verliebtheit: „Deep in my heart you're a part of me.“ Dann ging's auf den „Boulevard Of Broken Dreams“, wo sich „Gigolo und Gigolette“ küssen, um ihre zerbrochenen Träume zu vergessen . . .
Die zerbrechliche Version von „Moonglow“ entzückte. Dann machte sich Krall an modernem Liedgut zu schaffen. Bob Dylans „Simple Twist Of Fate“ reizte sie melodisch ganz neu aus; Tom Waits lichte Sterbefantasie „Take It With Me“ brachte sie, die einen krebskranken Ehemann zu Hause hat, besonders intensiv, die von Waits eingebauten letzten Worte Tschechows – „Ich habe so lange keinen Champagner getrunken“ – sang Krall fast tonlos. Zum Highlight wurde, wie schon 2017, Dylans „This Dream Of You“, das vollends ins Medium der Sehnsucht lockte. „All I have and all I know is this dream of you which keeps me living on“, diese sich wiederholende Zeile sang Krall auf immer neue, aufwühlende Art. Eine Sternstunde.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2019)
Jazz ist Mannschaftssport. So betrachtet ist die Aufstellung von zentraler Bedeutung. Auf ihrer aktuellen Welttournee bietet die kanadische Flüsterfee Diana Krall neben ihrer bewährten Rhythmussektion die Herren Joe Lovano (Saxofon) und Marc Ribot (Krawallgitarre) auf. Was alle jene interessieren sollte, die Krall leichtfertig eine gewisse Seichtigkeit im Ausdruck vorwerfen.
Jene, die Streit lieben, hatten sich schon lustvoll vorgestellt, dass live zwei Fraktionen gegeneinander kämpfen würden. Das Gegenteil war der Fall. Schon eingangs beim 1926 veröffentlichten Standard „Deed I Do?“, umrankten einander Kralls Pianorhythmik und Marc Ribots kunstvoll verschleppte Harmonien. Schnell war klar: Hier ging es um Innigkeit. Krall demonstrierte ihre Fähigkeit, auch mit übereinandergeschlagenen Beinen glaubhaft von radikalen Schicksalswendungen ihrer Helden zu erzählen. Den Flügel nahm sie mit aufreizender Lässigkeit in Betrieb, als ob sie ein Haushaltsgerät einschalten würde. Sämtliche Mitspieler stellten schon in dieser ersten Nummer ihre Signatur in kleinen, prägnanten Soli zur Schau.
Dann ging es ab in die Landstriche des Fatalismus. „All Or Nothing At All“, schon 1939 von Frank Sinatra interpretiert, pries die Extreme: Alles möge geschehen, nur keine halben Sachen. In der Liebe schon gar nicht. „If it's love, there ain't no between“, hauchte Krall. Lovanos Saxofon bestätigte sie mit sanften Echos.
Wie bei allen Krall-Konzerten frappierte die Diskrepanz zwischen der Raffinesse der Lieder und der Lässigkeit der Ansagen. Sie denke jeden Tag an Nat King Cole, raunte Krall zum Amüsement des Publikums, bevor sie den wohlgelaunten Klassiker „L.O.V.E.“, anging. Im impressionistisch gespielten „I've Got You Under My Skin“ drohte Krall im Gestus der Verliebtheit: „Deep in my heart you're a part of me.“ Dann ging's auf den „Boulevard Of Broken Dreams“, wo sich „Gigolo und Gigolette“ küssen, um ihre zerbrochenen Träume zu vergessen . . .
Die zerbrechliche Version von „Moonglow“ entzückte. Dann machte sich Krall an modernem Liedgut zu schaffen. Bob Dylans „Simple Twist Of Fate“ reizte sie melodisch ganz neu aus; Tom Waits lichte Sterbefantasie „Take It With Me“ brachte sie, die einen krebskranken Ehemann zu Hause hat, besonders intensiv, die von Waits eingebauten letzten Worte Tschechows – „Ich habe so lange keinen Champagner getrunken“ – sang Krall fast tonlos. Zum Highlight wurde, wie schon 2017, Dylans „This Dream Of You“, das vollends ins Medium der Sehnsucht lockte. „All I have and all I know is this dream of you which keeps me living on“, diese sich wiederholende Zeile sang Krall auf immer neue, aufwühlende Art. Eine Sternstunde.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2019)
Fuente: diepresse.com
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